Es lebe der Zentralfriedhof und olle seine Toten
Wolfgang Ambross und sein Freund und Texter Joesi Prokopetz haben sich 1974 von einem Plakat anlässlich des 100-Jahr-Jubiläums des Wiener Zentralfriedhofs zu einem seiner größten Erfolge inspirieren lassen. "Der Tod, der muss ein Wiener sein", kommt nicht von ungefähr. Der Zentralfriedhof ist die größte Stadt Österreichs mit seinen 3 Millionen "Bewohnern", somit ein Reichtum an Vielfältigkeit, Geschichtsträchtigkeit und Natürlichkeit. 1874 eröffnete der großzügig angelegte Friedhof im Süden Wiens und bietet heute Platz für alle: Ehrengräber für die zahlreichen Persönlichkeiten aus Kunst, Kultur und Politik. Soldatengräber, Mahnmale, Grabstätten verschiedener Glaubensrichtungen, Sammelgräber und natürlich für die vielen Wiener und Wienerinnen. Mit seinen rund 150 Jahren hat der Wiener Zentralfriedhof nicht nur geschichtlich viel zu bieten, auch architektonisch und in Bezug auf Flora und Fauna gibt es einiges zu entdecken.
In Anbetracht der zu erwartenden Bevölkerungsentwicklung beschloss der Wiener Gemeinderat am 24. November 1863 die Anlage eines Friedhofs auf Kommunalkosten, dieser wurde am 1. November 1874 als Zentralfriedhof eröffnet. Der Friedhof ist 2,354.272 Quadratmeter groß und verfügt über rund 330.000 Gräber, darunter rund 1.000 Ehrengräber. Er ist nach Hamburg-Ohlsdorf der zweitgrößte Friedhof Europas.
Den Mittelpunkt des Zentralfriedhofs bildet der Kapellenhof mit der nach Entwürfen von Max Hegele erbauten Kuppelkirche „Zum Heiligen Karl Borromäus“ (sogenannte "Dr. Karl Luegerkirche"). In deren Gruftraum steht der Sarkophag des Bürgermeisters Karl Lueger; davor liegt heute die Gruft der Bundespräsidenten der Zweiten Republik.
Der Wiener Zentralfriedhof wurde von der Bevölkerung anfangs nicht sofort angenommen; er war lange Zeit ein umstrittenes Projekt.
Als der Besitzer der Hutsteppwarenhandlung am Graben, Jakob Zelzer, am 30. Oktober 1874 starb, war seine Familie wohlhabend und einflussreich genug, um ihm das erste Familiengrab am neu eröffneten Zentralfriedhof zu kaufen. Am 1. November 1874, um 16 Uhr, wurde Zelzer dort bestattet. Das Grab, das bis heute als „Gruppe 0, Reihe 0, Nummer 1“ kategorisiert ist, befindet sich neben der Friedhofsmauer.150 Jahre später liegt Zelzer nicht mehr allein dort. Rund drei Millionen Menschen sind mittlerweile am Wiener Zentralfriedhof bestattet.
Friedhofskirche zum heiligen Karl Borromäus
(Dr. Karl Lueger-Gedächtniskirche) auf dem Zentralfriedhof
Die Monumentalität des Kirchenbaus mitten im „Ozean des Todes“, wie der Zentralfriedhof im Volksmund auch genannt wird, soll die Allmacht Gottes darstellen, der stärker ist als der Tod. Diese Kirche ist die Krönung der gesamten Friedhofsanlage. Inmitten des Wiener Zentralfriedhofes gelegen, leicht erreichbar und wirklich sehenswert ist die „Friedhofskirche Zum Heiligen Karl Borromäus“. Maximilian Hegele, der namhafte Architekt des Wiener Jugendstils plante und erbaute die wichtigste und faszinierendste Kirche dieser Epoche am Wiener Zentralfriedhof. Der Otto Wagner Schüler konzipierte und errichtete 1908-1911 ein wirklich monumentales Gesamtkunstwerk.
1874: Aufgrund Geldmangels in der Stadtkassa wird der Zentralfriedhof nur provisorisch eröffnet.
1899: Wird der „Wettbewerb zur Fertigstellung des Zentralfriedhofes“ ausgeschrieben. Vorsitzender der Jury ist Otto Wagner. Der 27-jährige Max Hegele geht als Gewinner des Wettbewerbs hervor.
1902: Max Hegele erbaut das Eingangstor 2 anschließend die Aufbahrungshalle I und die Aufbahrungshalle II.
1908: Max Hegele beginnt mit dem Bau der Friedhofskirche.
1911: Eröffnung der Friedhofskirche
Für die Wiener war diese moderne Kirche gewöhnungsbedürftig
Von Friedhofskirche zum Heiligen Karl Borromäus
"Mit diesem Bau auf dem Wiener Zentralfriedhof schuf Max Hegele eine einmalige Friedhofskirche, wie in der ganzen Kunstgeschichte keine vergleichbare zu finden ist."
Der Heilige Karl Borromäus, dem die Kirche geweiht ist, ist Patron der Lombardei, des Tessins, des Bistums Lugano und der Priesterseminare. Außerdem gilt er als Helfer gegen die Pest. Er lebte im 16. Jahrhundert in Italien und galt als bescheidener, frommer Bischof.
Zitat Wilhelm Busch: "Es hilft kein Leugnen und kein Streben, wir müssen sterben, weil wir leben."
Fotos von Andrea Braitenberg, Helga Krojer, Helene Szivatz, Gerti Mascha und Judith Pratl